Expertenbeitrag

Prof. Dr. Julia Schössler

Prof. Dr. Julia Schössler

Gründerin & Geschäftsführende Gesellschafterin

Expertenbeitrag: Social Media-Marketing Musk und Twitter – Das Ende des einstigen Social Media-Lieblings?

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Twitter stand in den letzten Wochen mehr als häufig in Medien. Was bedeuten die aktuellen Entwicklungen und was heißt das für Unternehmen? Wie Musk wieder mehr Hass in die Welt bringt und die Demokratie angreift.

Ist der Einstieg Musks der Untergang für Twitter?
Ist der Einstieg Musks der Untergang für Twitter?
(Bild: gemeinfrei / Pexels)

Seit Monaten verfolgt die Weltöffentlichkeit atemlos das Treiben eines gewissen Elon Musk, dem „reichsten Mann der Welt“, wie die Medien es nie müde werden zu zitieren. Dieser reichste Mann der Welt verkündete im April 2022, dass er beabsichtige, den Kurznachrichtendienst Twitter zu kaufen. Für einen Betrag von 44 Mrd. Doller, was bei seinem Gesamtvermögen von fast 200 Mrd. Doller fast nach einem Schnäppchen klingt. Warum wollte er das? Nach seiner Aussage geht es ihm darum, eine Plattform zu bauen, auf der Rede- und Meinungsfreiheit Raum hat und es von der Börse zu nehmen.

Aktuelle Entwicklungen im Fall „Twitter“

Nach Wochen des Hin und Hers, ob und wie Musk Twitter übernimmt, hat Twitter inzwischen den Rückzug von der Börse und den Vollzug der Übernahme bekannt gegeben. Voraus gingen: Im Wochentakt wechselnde Informationen über die mögliche Finanzierung des Deals mit Banken und Investoren. Eine Klage von Twitter gegen Musk, weil er die Übernahme platzen lassen wollte, und eine Gegenklage von Musk gegen Twitter aufgrund der Anzahl möglicher Fake Accounts. Von Musk sofort veranlasste Kündigungen des Managements und der Hälfe der Belegschaft. Die Auflösung des Verwaltungsrats und damit alleinige Macht Musks über Twitter. Diskussionen über die Abschaffung und nun Wiedereinführung Verifikations-Häkchens. Überlegungen zu monatlichen Abo-Gebühren. Drohungen gegen Werbekunden, die Musk öffentlich bloßstellen wollte, wenn sie nicht weiter Werbung auf Twitter buchen. Drohungen gegen aktuelle Mitarbeiter, sollten sie zu wenig und vom Homeoffice aus arbeiten wollen. Die Twitter-Aktie war über Monate abwechselnd im Höhenflug und auf Talfahrt, die Anleger verunsichert. Chaos pur. Musk wirkt dabei oft wie eine fehlgezündete Rakete, die ständig den Kurs wechselt.

Diskussionen darüber, wie der neue Eigentümer eines Unternehmens sein Unternehmen führt, wie er das Geschäftsmodell entwickelt und mit seinen Mitarbeitern und Partnern umgeht, sind das eine. Auch wenn man angesichts der Entscheidungen in Hinblick auf die unternehmerische Verantwortung durchaus geteilter Meinung sein kann. Was aber in den letzten Tagen passiert, ist mit Blick auf das von Musk doch so ausdrücklich angepriesenen Ziel der Rede- und Meinungsfreiheit und unserer Demokratie aber erschütternd: Die willkürliche Wieder-Zulassung, genauer: „Entsperrung“ von Twitter-Nutzern, die die Plattform für die Verbreitung von Hassbotschaften, Falsch- und Desinformationen genutzt haben. Die gezielt Ängste schüren, Vorurteile und Unsicherheiten verstärken. Und so unsere Gesellschaft und Demokratie gefährden.

Twitter-Community entscheidet über „Gerechtigkeit“

Wie geschieht das? „Natürlich“ auf Twitter über Twitter-Umfragen. Elon Musk hat vor wenigen Tagen eine Abstimmung der Nutzer gestartet, in der er darüber entscheiden ließ, ob Donald Trump wieder auf Twitter freigeschaltet werden sollte. Zur Erinnerung: der ehemalige US-Präsident war auf Twitter gesperrt worden, nachdem er Sympathien für die Randalierer geäußert hatte, die im Januar 2021 gewaltsam das Kapitol in Washington gestürmt hatten. Aktuell soll er sich vor dem Untersuchungsausschuss verantworten. Zuvor hatte Donald Trump Twitter genutzt für seine Botschaften, dass ihm durch „Betrug“ der Sieg gegen Joe Biden bei der US-Präsidentschaftswahl 2020 gestohlen wurde. Die angeblich mehr als 15 Millionen Twitter-Nutzer stimmten mit 51,8 Prozent für die Freischaltung Trumps ab. Inwiefern hier auch Bots abgestimmt haben, ist nicht bekannt. Ob Trump tatsächlich zurückkommt oder nicht, wie er aktuell behauptet, ist angesichts seiner Kandidatur bei der US-Präsidentschaftswahl 2024 abzuwarten.

Letzte Woche dann der nächste Schritt: die Twitter-Nutzer durften über die „Generalamnestie“ für gesperrte Accounts abstimmen. Binnen weniger Stunden stand das Ergebnis fest: 72,4% der Nutzer stimmten für eine Reaktivierung. Dieses Mal beteiligten sich „nur“ 3,2 Millionen Nutzer von fast 120 Millionen Followern, die Elon Musk hat, also weniger als 3 Prozent. Anzahl möglicher Bots wieder unbekannt. Diese gesperrten Accounts sollen nun in der nächsten Woche wieder freigeschaltet werden. Hiervon ausgenommen seien Nutzer, „die gegen Gesetze verstoßen hätten oder für unerhörten Spam verantwortlich seien“. Das ist allerdings angesichts Trumps Freischaltung stark zu bezweifeln. Und es steht im Gegensatz zu Elon Musks Aussage nach dem Kauf von Twitter, dass diese Freischaltung erst nach Einsetzung eines bei Twitter installierten „Rats zur Moderation von Inhalten“ erfolgen sollte. Daran mag er sich nun nicht mehr erinnern wollen.

Die Zukunft von Twitter

Wie wird Twitter künftig gegen Hassbotschaften und Falschinformationen vorgehen? Der am Donnerstag veröffentlichte Bericht der Europäischen Union zum EU-Verhaltenskodex für die Bekämpfung illegaler Hassreden im Internet hat bereits jetzt beunruhigende Zahlen: Seit dem Frühjahr, also vor Musks Ankündigung Twitter zu kaufen, brauchte Twitter länger für die Bewertung von eingegangenen Meldungen und gegebenenfalls Entfernung illegaler Hassreden, genauer: eingegangene Meldungen zu illegalen Hassreden wurden in 2022 innerhalb von 24 Stunden in etwas mehr als 50 % bewertet, im Gegensatz zu 82 % in 2021. Das Brüsseler Büro von Twitter wurde letzte Woche nach weiteren Mitarbeiter-Entlassungen geschlossen.

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Es ist zu befürchten, dass es auf Twitter zu einem Anstieg von Belästigungen, Hassreden und Fehlinformationen kommen wird. Das in 2006 gegründete soziale Netzwerk war über viele Jahre eine der wichtigsten Plattformen für politische und wirtschaftliche Diskussionen. Nun scheint dieser Raum irreparabel beschädigt zu sein. Nutzer, Mitarbeiter, Werbekunden und Partner wenden sich aus nachvollziehbaren Gründen ab. Denn: jeder hat das Recht auf eine eigene Meinung, aber niemand hat das Recht auf eigene Fakten. Dem wieder Raum zu geben und damit die Demokratie zu beschädigen kann und darf nicht folgenlos sein.

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