Neue Geschäftsmodell-Strategie Ein eigener B2B Marktplatz? Sechs Fehler, die man dabei besser nicht macht

Ein Gastbeitrag von Jan Christian Waitschies*

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Marktplätze schneiden im Vergleich zum klassischen Online-Handel generell besser ab. Für B2B ist jetzt ein geeigneter Zeitpunkt für den Einstieg in das eigene Marktplatzgeschäft. Damit es funktioniert, müssen Unternehmen seine Gesetzmäßigkeiten kennen, das Vorhaben strategisch angehen – und vor allem: eine Reihe von Fehlern vermeiden.

Ein eigener Marktplatz kann für Händler wie Hersteller der ideale Ansatz sein. Dennoch gibt es hierbei einiges zu beachten.
Ein eigener Marktplatz kann für Händler wie Hersteller der ideale Ansatz sein. Dennoch gibt es hierbei einiges zu beachten.
(Bild: gemeinfrei / Unsplash)

Jeder kennt die großen B2C Marktplätze wie Ebay, Amazon oder Zalando. Plattformen im B2B Bereich stehen weniger im Licht der Öffentlichkeit. Nun kann es für Hersteller wie Händler sinnvoll sein, selbst zum (Mit-)Betreiber eines Online-Marktplatzes zu werden: Etwa, um seinen Kunden ein breiteres Angebot an Produkten oder Dienstleistungen zu bieten oder die Nachfrage auch dann bedienen zu können, wenn man selbst nicht lieferfähig ist. Und natürlich ist es interessant am Umsatz anderer mitzuverdienen. Ein eigener Marktplatz erschafft für Hersteller Unabhängigkeit von Vertriebszwischenebenen und erlaubt es, den direkten Kundenzugang auszubauen. Händlern kann er helfen, ihr Geschäftsmodell anzureichern, Dienstleistern neue Kunden zu erschließen und effizient zu versorgen. Gut gemachte Marktplätze sorgen für Effizienzgewinne, eine ganzheitliche Abwicklung sowie Bündelung von Einkaufs-, Produktions- und Absatzprozessen.

Hinzu kommt: Im Vergleich zum bereits stark wachsenden Online-Handel bieten Marktplätze überdurchschnittliche Wachstumsraten. Und anders als im B2C reichen bei B2B oft bereits wenige Anbieter und Nachfrager, um wirtschaftlich zu sein; auch, weil Business-Kunden meist kontinuierliche Bedarfe haben und Produkte oder Dienstleistungen einfach, effizient und verlässlich beschaffen wollen. Insgesamt gilt, dass für B2B Marktplätze die Einstiegshürden niedriger sind. In den nächsten zwei Jahren entscheidet sich, wer wo den Kundenzugang beherrschen wird. Es ist also der richtige Zeitpunkt, um über einen eigenen Marktplatz nachzudenken. Die folgenden sechs Fehler sollten Unternehmen dabei vermeiden.

Fehler 1: Der Marktplatz ist nur ein Projekt

Ein Marktplatz ist nicht nur ein Projekt, sondern eine Veränderung des bestehenden Geschäftsmodells - wenn nicht sogar ein ergänzendes, dass das aktuelle Geschäftsmodell stark beeinflussen wird. Oft fehlt hier das Bewusstsein über mögliche Zielkonflikte, etwa zu bestehenden Vertriebsaktivitäten, internen Incentivierungs-Systemen oder mit dem Händlernetzwerk. Die Rolle der internen Kommunikation wird regelmäßig unterschätzt und es entsteht ein Gegeneinander im Unternehmen. Gerade, wenn mehrere Kanäle in vermeintlicher Konkurrenz zueinanderstehen, muss das Projekt gut aufgesetzt werden, Provisionen zum Beispiel an den Gesamtumsatz gekoppelt werden, um intern gegenseitige Unterstützung zu gewährleisten. Unternehmen müssen also einerseits den Top-Management-Support sicherstellen, ihr Team im Loop halten und Notwendigkeit sowie Chancen des Marktplatzes klar kommunizieren. Und andererseits ihre Geschäftspartner wie Händler und Lieferanten abholen und integrieren.

Fehler 2: Zu wenig echter Mehrwert für Nachfrager und Anbieter

Wachsen Angebot und Nachfrage nicht gemeinsam, kann das ein Hinweis sein, dass der Marktplatz zu wenig Mehrwert bietet – für beide Seiten, Anbieter und Nachfrager. Ein Schlüssel liegt hier in der Auswahl von Lieferanten beziehungsweise Verkäufern. Die Partner und das Angebot müssen zur Ausrichtung des Marktplatzes passen, etwa hinsichtlich der erwünschten Qualität oder des Preislevels. Vereinbarungen etwa zu Service-Level, Umgang mit Beanstandungen oder Produktdatenqualität müssen durchgesetzt werden, um die Zufriedenheit der Kunden sicherzustellen. Wichtig ist die Ausrichtung am Customer Lifetime Value statt dem reinen Fokus auf kurzfristige Kosten. Nur so gelingt die Balance des Geschäftsmodells aus einem attraktiven Angebot für Kunden und genügend Anreizen wie Umsatzpotenzial, Transparenz und Fairness für Verkäufer beziehungsweise Lieferanten.

Fehler 3: Falsche Positionierung

Marktplatzgeschäftsmodelle sind komplex. Ohne eine klare Positionierung ist die Chance auf dauerhaften Erfolg gering. Händler wie Hersteller brauchen deswegen Klarheit über die verschiedenen Dimensionen: Unternehmen sollten ihren Ansatz genau prüfen, um keine Chancen zu vergeben. Ein Marktplatz muss zum Beispiel für Hersteller nicht per se ein B2B Business sein. Er bietet auch die Möglichkeit, ihre Endkunden direkt anzusprechen: D2C – Direct to Customer. Weitere Faktoren bei der Positionierung: Soll ein horizontaler Marktplatz mit einer Ausrichtung in die Breite und damit branchenübergreifend entstehen oder ein vertikaler, der als Nische speziell auf die Bedürfnisse einzelner Zielgruppen beziehungsweise Branchen ausgerichtet ist? Soll er offen sein für Anbieter und Käufer oder geschlossen beziehungsweise kuratiert, so dass Anbieter und Käufer erst freigeschaltet werden beziehungsweise nur der Plattformbetreiber als Verkäufer erkennbar ist? Soll der Betrieb unter der Bestandsmarke, von einem neutralen Unternehmen oder im Verbund mit anderen erfolgen, um die Investitionen gemeinsam zu tragen? All diese Fragen gilt es zu beantworten.

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Fehler 4: Nur an Produkte gedacht

Viele Marktplatz-Lösungen fokussieren lediglich auf Produkte. Damit lassen sich Problemstellungen von Kunden aber nicht immer lösen. Hier besteht also großes Potenzial für Zusatz-Angebote – durch die Integration von Produkten, Dienstleistungen und Content. Beim Verkauf von Produkten wie einer Ladebox für E-Autos können sich individuelle Marktplätze zum Beispiel mit hochwertigem Content und zusätzlichen Beratungsleistungen etwa zu Förderoptionen abheben. Ihrem Kauf schließen sich weitere Prozesse an: die Installation als handwerkliche Leistung, eine Genehmigung oder erforderliche Zertifizierung. Ein solch umfassender, auf die Lösung eines Problems ausgelegter Marktplatz bietet Kunden einen echten Mehrwert und Anbietern wie Betreibern eine Differenzierung vom Wettbewerb.

Fehler 5: Alles aus einer Hand

Kaum ein Unternehmen kann einen Marktplatz allein aufbauen: Seine Planung, Umsetzung und erfolgreiche Einführung gehört zur Königsdisziplin des Business Modelling. Unternehmen sollten hier Heilsversprechen von Dienstleistern kritisch hinterfragen und sich stattdessen spezialisierte Partner für die notwendigen Disziplinen suchen, etwa in Bezug auf Marketplace-Business-Model Consulting, (Online-)Marketing, Logistik und Fulfillment oder Finance und Administration. Idealerweise bringt der IT-Partner neben einem Markplatz-nativen Software-Ansatz auch Expertise im Bereich Innovationsmanagement mit, verfügt über ein entsprechendes Netzwerk und kann Empfehlungen geben. Wichtig ist dabei, die finale Auswahl von Partnern selbst zu treffen und diese zu koordinieren.

Fehler 6: Falscher IT-Partner oder falsche Lösung

Der IT-Partner für eine Marktplatzlösung benötigt Prozessverständnis und muss – wenn sinnvoll oder nötig – auch in der Lage sein, Anforderungen umzusetzen, die nicht mit Standards abgebildet werden können. Er sollte methodisch den Entwicklungsprozess ganzheitlich begleiten. So gilt es ein individuelles Setup zu finden, was die Einbindung von Experten gleichermaßen sicherstellt, wie schnelle Feedback-Zyklen mit Nutzern – aus deren Bedürfnissen können innovative Features abgeleitet werden. Gleicht der potenzielle IT-Partner dagegen nur mit Funktionalitäten von Standard-Software ab, ist dies ein Indiz dafür, dass keine Lösungsoffenheit vorliegt und Kompromisse zu Lasten der Nutzererfahrung eingegangen werden müssen. Wichtig ist darüber hinaus, wie einfach sich Änderungen umsetzen lassen. Unternehmen sollten sich hier nicht auf die Versprechen des Vertriebs verlassen. Gerade bei großen IT-Partnern müssen sie mit wechselnden Ansprechpartnern und einer hohen Anzahl paralleler Projekte rechnen.

Unternehmen dürfen außerdem nicht den Fehler machen, einfach einen Shop imitieren zu wollen: Ein erfolgreicher Marktplatz ist mehr als ein Shop mit einem Zusatzmodul – bietet er keine individuellen Prozesse und Erlebnisse und stehen Kunden und Anbieter nicht im Mittelpunkt, skaliert das Geschäftsmodell nicht, weil Mehrwerte fehlen. Ist die Basis ein Standard-Shop-System, bekommt der Kunde eben nur das Standard-Erlebnis aus dem klassischen E-Commerce. Oft erfordert die Abbildung von Nicht-Standard-Funktionen ein aufwendiges Customising, das am Ende dennoch technisch limitiert ist. Ein Marktplatz braucht zudem Flexibilität bei der Weiterentwicklung der User Experience, etwa neue Funktionalitäten für Verkäufer und Käufer; er muss die Customer Journey individuell abbilden und skalierbar sein. Weitere Faktoren bei der Entscheidung für eine Lösung sind ihre Implementierungsdauer, die eng damit verbundene time to market sowie Freiheit bei der technologischen Roadmap. Idealerweise bestimmen Unternehmen diese selbst und sind nicht auf den Standard-Software-Partner und dessen Prioritäten angewiesen.

Fazit zu B2B Marktplätzen

Ein B2B Marktplatz ist mehr als ein Projekt, er ist ein eigenes Geschäftsmodell mit Auswirkungen auf das Bestandsgeschäft. Deswegen müssen Unternehmen bei der Einführung einiges berücksichtigen – strategische Überlegungen ebenso wie technologische. Zentral dabei: Der Marktplatz soll nicht nur die Bedürfnisse von heute erfüllen können, sondern flexibel genug sein, auch morgen noch alles Notwendige abzubilden, um auch die sich schnell wandelnden Kundenbedürfnisse der Zukunft erfüllen zu können.

*Jan Christian Waitschies ist Founder und Managing Director der wunschlösung GmbH.

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